Puppenspiele by Marina Heib

Puppenspiele by Marina Heib

Autor:Marina Heib
Die sprache: eng
Format: mobi, azw3, epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2011-12-31T23:00:00+00:00


Hamburg.

Am späten Abend traf Christian mit dem Zug in Hamburg ein.

Seine Glieder schmerzten, er war todmüde. Dennoch folgte er beim Aussteigen am Bahnhof Dammtor der spontanen Eingebung, einen Spaziergang zu machen, um den langen Tag im ruhigen Rhythmus seiner Schritte ausklingen zu lassen. Kurz hinter dem Bahnhof kletterte er über den Zaun des Parks »Planten und Blomen«, der nachts für Besucher geschlossen war. Christian sehnte sich danach, die Stille inmitten der Großstadt zu genießen. Außerdem verkürzte er mit dem Durchqueren des Parks seinen Weg zum Büro der Soko Bund im Schanzenviertel. Obwohl er müde war, wollte Christian noch kurz dort vorbei, um in aller Ruhe ein Bier zu trinken und dabei auf die Pinnwände zu starren, die von Daniel und Yvonne sicher in der Zwischenzeit mit allen wesentlichen Informationen über die Morde bestückt worden waren.

Er fand ein letztes Bier im Kühlschrank ihrer Einsatzzentrale. Christian öffnete die Flasche mit einem in der Küche herumliegenden Kaffeelöffel und schlenderte hinüber zu dem Zimmer, das ihnen als Konferenzraum diente. Die Pinnwände hatten nicht ausgereicht für die Fülle des bisher gesammelten Materials, auch die vergilbte Raufasertapete war übersät mit Fundort-Fotos, Obduktionsberichten, einer grafischen Darstellung von den Bewegungsabläufen des gesuchten Mörders, Ermittlungsplänen und massenweise Kopien von Zeugenaussagen, auf denen die wichtigsten Sätze markiert waren.

Christian setzte sich auf einen Stuhl, legte die langen Beine auf den Tisch und ließ seinen Blick über die Collage aus Blut, Grauen und Informationen gleiten. Der Konferenzraum lag nach hinten zum Hof. Christian hörte zuerst noch das dumpfe Rauschen der Großstadt, das Rattern der späten S-Bahn und die auf der Straße vor dem Haus vorbeifahrenden Autos. In der Ferne heulte eine Sirene. Dann blendete er die Geräusche aus. Nach einer knappen Minute der Versenkung schien es ihm, als wäre die Stille im Büro greifbar. Herd war noch in Straßburg, Volker in Berlin, Daniel und Yvonne längst zu Hause. Pete war mit Anna in den USA. Plötzlich verstand Christian, dass es nicht die Stille war, die sich dickflüssig um ihn legte, sondern das Alleinsein. Sosehr er eben, nach dem Lärm im Großraumabteil des Zuges, die völlige Abwesenheit von Menschen ersehnt hatte, so heftig wurde ihm nun bewusst, wie sehr ihm Anna fehlte. Dennoch widerstand er dem Impuls, sie anzurufen. Zu oft hatten ihn seine gescheiterten Versuche in den letzten Tagen frustriert. Für eine erfolgreiche Ermittlung brauchte er einen klaren Verstand. Er musste mit dem ganzen Herzen bei der Sache sein und durfte nicht geistig irgendwo in Übersee herumschwirren. Die Arbeit der letzten Tage hatte seine volle Konzentration erfordert. Mit Volkers und Herds Hilfe hatte er die Ermittlungen der einzelnen Kommissariate koordiniert, für reibungslosen Informationsfluss auch nach Frankreich gesorgt, Aufgaben verteilt, mit Staatsanwälten diskutiert, telefonische Konferenzschaltungen geleitet und mit den beteiligten Beamten versucht, einzelne Puzzleteile zusammenzusetzen. Noch immer bekamen sie kein klares Bild. Christian war erschöpft. Ihm fehlte das Thema, das zentrale Motiv, das jedem Bild zugrunde lag. Zudem mangelte es an einem konkreten Ansatzpunkt für die Fahndung. Bislang glich die Suche nach dem Mörder mit den vielen Namen eher einer Geisterbeschwörung.

Christian nahm einen Schluck von seinem Bier und betrachtete die Pinnwände.



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